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Inspiring. Circus. Arts.

Das Online-Journal Inspiring. Circus. Arts. blickt hinter die Kulissen. Wir erkunden Trends, Herausforderungen und kreative Prozesse in den Zirkuskünsten, regen Debatten an, stellen junge Talente und führende Experten der internationalen Zirkusszene vor. 

AutorenbildDaniel Burow

Amelie Kamps - vom Jugendzirkus auf die Flic-Flac-Bühne

Die 21-jährige Amelie Kamps lebt ihren Zirkustraum. (c)Michael Engelhardt

Beim European Youth Circus in Wiesbaden 2024 war ihre Strapatendarbietung eine der Überraschungen: Die 21-jährige Amelie Kamps stammt weder aus einer Zirkusfamilie, noch besuchte sie eine der einschlägigen Zirkusschulen. Doch hatte sie, als sie in Wiesbaden den Preis der deutschen Varieté-Theater überreicht bekam, ihr nächstes großes Engagement bereits in der Tasche. Die Verträge für Flic Flacs Weihnachtsshow in Erfurt waren bereits gemacht. Dort traf ich Amelie im Foyer, um zwischen zwei Shows über ihren Weg zur Artistik zu sprechen.


Der begann, als sie 14 Jahre alt war, ebenfalls in einem Weihnachtszirkus. Damals saß sie jedoch noch im Publikum beim Xantener Weihnachtszirkus, unweit ihrer Heimat Kevelaer am Niederrhein. Dort hat die Familie Casselly, die den Weinachtcircus betreibt, Flyer für ihren Projektzirkus im Sommer verteilt. Amelie war sofort begeistert und stellte sich vor Artistin zu werden. So meldete ihre Mutter sie kurzerhand für das Ferienprojekt an. Ob sie sich wohl hat ausmalen können, was dieser Schritt nach sich ziehen würde?


Margareta Dillinger überreicht Amelie Kamps den Preis der deutschen Varietétheater beim EYC Wiesbaden (c)Reinhold Fischenich

Denn als Amelie im Sommer darauf mit einer Freundin zusammen am Sommerprojekt teilnahm, sah sie das keineswegs nur als Ferienzeitvertreib, sondern nahm die Sache ernst. „Ich dachte, die bilden da wirklich aus“, erzählt sie. Im ersten Jahr lernte sie Trapez, im Jahr darauf dann Bodenakrobatik. Doch kaum hatte sie die beiden Gebiete gefunden, die ihr Spaß machten, war sie auch schon zu alt für den Projektzirkus.


Es folgt eine Begebenheit, die typisch für Amelies Lebenseinstellung zu sein scheint: Geht nicht gibt’s nicht. „Dann hab‘ ich einfach allen Mut zusammengenommen, den Zirkusdirektor Jonny Casselly junior angesprochen und gefragt, ob er mich trainieren kann“, erinnert sie sich. Casselly stimmte zu und das Training konnte beginnen. Es ging los mit Krafttraining, um die Voraussetzungen für professionelle Luftakrobatik zu schaffen. Dann hat sie einen Luftring bekommen. Amelie begann dem Zirkus, der nach dem Sommerprojekt weiter auf Tour ging, hinterher zu reisen. „Es war oft im Umkreis, meine Eltern haben mich dann immer hingefahren“, erzählt sie, „mal einmal im Monat, mal einmal die Woche“. Sie ging damals zur Schule und nutzte jede freie Zeit zum Trainieren. Amelies Glück war, dass ihr Vater eine große Halle hat, wo sie einen Hängepunkt für die Luftartistik anbringen und täglich ein bis zwei Stunden trainieren konnte.


Jonny Casselly junior gab ihr viele Tipps und auch anhand von Videoaufnahmen ihres Trainings hat Amelie immer weiter an sich gearbeitet, bis sie für Jonny Cassely’s Weinachtscircus 2019 alles zusammenbauten zu einer Nummer. So hatte Amelie ihren ersten Auftritt. Weitere in Xanten sollten Folgen, auch am Fangstuhl zusammen mit Jonny Cassellys Tochter.



Sie hat vieles ausprobiert, fasziniert war Amelie dann von den Strapaten, wie sie berichtet: „Dann habe ich meinem Freund gesagt, ich würde so gern eine Nummer damit machen.“ Ihr Freund ist in der Zirkuswelt kein Unbekannter: Karim Messoudi, jüngstes Mitglied der „Messoudi Brothers“, die ihre Hand-auf-Hand-Akrobatik schon in vielen Zirkusmanegen und auf diversen Varietébühnen aufführten. Damals war er im GOP engagiert und kreierte mit Amelie zusammen innerhalb von zwei Wochen ihre Nummer. Er machte die Choreografie, das GOP erwies sich als sehr hilfsbereit: „Wir haben sogar filmen gelassen vom GOP-Team und das wurde dann mein Bewerbungsvideo.“


In ihrer Nummer trägt Amelie, untypisch für eine Strapatendarbietung, ein Kleid, ganz in weiß. „Die Idee ist, dass sich schlafe“, erklärt sie, „und irgendwie gelange ich in einer Art Traumwelt.“ Zum Musiktitel „Leave a Light on“ scheint ein Licht aus der Kuppel die Strapaten herunter. Auf diese Weise „erleuchtet“ begibt sich Amelie in eine vierminütige geschmeidig fließende Trickfolge, um danach wieder einschlafend der Traumwelt zu entgleiten.

Für Flic Flac musste Amelie ihre Nummer anpassen, Musik und Intro haben hier den Vorgaben der Show zu folgen. Schlafen kann sie am Anfang nicht, denn einem Umbau auf der Bühne geschuldet beginnt sie von den Zuschauerrängen aus. Insgesamt wurde die Show an vier Probentagen zusammengebaut, davon blieb aber nur ca. eine halbe Stunde, um den einzelnen Act zu proben.


Im weißen Kleid an den Strapaten

An die schnellen Abläufe im klassischen Zirkus hat sich Amelie so bereits gewöhnt und gewinnt der Abwechslung etwas Positives ab. „Es war total spontan. Vorher war ich noch mit meiner Luftringnummer im GOP, da habe ich einen Tag vor meiner Abreise mein Lied geschickt bekommen“, erzählt sie, „ich habe es einfach im Auto gehört und dann zweimal hier vor Ort geprobt und es ging. Am Anfang dachte ich ‚oh nein‘ und jetzt sind die Musik und ich Freunde geworden.“


Bei Flic Flac fühlt Amelie sich sehr wohl, schätzt das Gemeinschaftsgefühl im Cast, wo Artisten aus diversen Ländern für drei Wochen zusammenfinden und mehr als nur die Arbeit teilen. Die Pausen zwischen ihren Auftritten nutzt sie, um für ihr Studium zu lernen, denn parallel zum Artistenleben studiert sie im ersten Jahr Marketing Management. Und das ist nicht ihre einzige Parallelaktivität. Sie arbeitet außerdem noch als Model und hat sich kürzlich mit Yoga-Kursen selbstständig gemacht. Wie sie das alles unter einen Hut bekommt? „Modeln ist meistens am Wochenende. Bei der Artistik konzentriere ich mich mehr auf Weihnachten und auf Galas. Und meine Yoga-Kurse gebe ich abends nach der Uni“, erklärt sie ihr Zeitmanagement.


Training ist alles, hier beim EYC Wiesbaden (c)Reinhold Fischenich

Momentan arbeitet sie auch an einer neuen Nummer. Es soll eine Bodendarbietung werden, bei der sie mit Akrobatik mit Yoga zwei ihrer Leidenschaften verbinden möchte. Für ihre Darbietungen holt Amelie sich gern Inspiration von Instagram. So war es auch bei ihrer Strapatennummer. Im Gegensatz zu vielen klassischen kraftbasierten Acts wollte sie eher Elemente der Kontorsion mit einbeziehen. Es sei ein bunter Mix aus Tricks entstanden, die sie beim Scrollen durch Instagram bei anderen Artisten gesehen hat.


Mit dem Engagement bei Flic Flac ist bereits ein Traum von Amelie in Erfüllung gegangen. Wo würde sie in der Zukunft gern mal auftreten? „Ich find‘ das Moulin Rouge ganz toll“, fällt ihr als erstes ein. Doch fürs Erste ist ihr Ziel, im nächsten Winter wieder bei einem Weihnachtszirkus zu arbeiten, vielleicht etwas näher an ihrer Heimat oder zusammen mit ihrem Freund. Noch hat sie keine konkreten Pläne. Dass Amelie ihren Weg in der Zirkuswelt gehen wird, daran besteht indes kein Zweifel.

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1 Comment


Simona
Dec 31, 2024

Was für eine Darbietung und für ein Talent! Weiter so Amelie.

Wir freuen uns auf den nächsten Xantener Weihnachtszirkus und auf Dich.

Viele Grüße vom Niederrhein!

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